parcelLab-Analyse: Kostenlosen Retouren bleiben die Heilige Kuh des deutschen E-Commerce
Als der Fast-Fashion-Anbieter Zara im Mai 2022 den strategischen Move wagte, für alle Retouren, die die Käufer nicht selbst in die Filialen bringen, 1,99 Euro Rücksendegebühr einzuführen, rauschte es gewaltig im Blätterwald. Nicht wenige Branchenexperten und Umweltschützer prognostizierten, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis andere Händler der Strategie von Zara folgen und (endlich) die Gratis-Mentalität bei Retouren beenden.
Die aktuelle Studie „E-Commerce Retouren-Studie 2022“, für die der Operations-Experience-Management-Spezialist parcelLab im August die Retouren-Strategien von 100 der größten Online-Shops in Deutschland (Quelle EHI) analysierte, zeigt allerdings: Noch immer halten 90 Prozent der deutschen E-Commerce-Granden an Gratis-Retouren fest. Bei drei Händlern war noch die seit dem Jahr 2014 abgeschaffte sogenannte 40-Euro-Klausel im Widerrufsrecht zu finden, wonach nur für Retouren mit einem Warenwert von unter 40 Euro Gebühren berechnet werden. Nur sieben Händler im Ranking wagen es tatsächlich, ihre Kunden für die Rücksendung von Bestellungen zur Kasse zu bitten. Zu groß ist offenbar die Angst, die durch die Inflation in ihrer Kauflust beraubten Kunden dadurch noch vollends zu verprellen.
Ein Kuriosum dabei ist: Obwohl die Händler Gratis-Retouren offensichtlich als relevanten Konversion-Hebel sehen, machen sie ihre Kunden im Webshop nicht proaktiv auf diese Leistung aufmerksam. Lediglich bei 18 der größten Online-Händler fand sich in der Nähe der Hauptnavigation auf der Startseite ein Hinweis auf die Retourenkosten. Der Rest scheint seine Kunden lieber nicht mit der Nase darauf stoßen zu wollen, dass sie ihre bestellte Ware auch ganz einfach und kostenlos wieder loswerden können.
Für mehr als die Hälfte der Konsumenten wären Retouren-Kosten von 3,03 Euro pro Bestellung akzeptabel
Im Rahmen der Studie hat parcelLab erstmals die Serviceleistungen der Händler mit den Erwartungen der Kunden abgeglichen. Über das Marktforschungsinstitut YouGov wurden rund 2.200 Online-Shopper ab 18 Jahren aus Deutschland befragt, was sie bei Online-Retouren am meisten nervt. Das Resultat: Nur für knapp 36% der Internet-Käufer sind kostenpflichtige Retouren ein absoluter Showstopper, weitere 5% haben dazu keine dezidierte Meinung. Der Rest ist zumindest unter bestimmten Voraussetzungen zur Zahlung einer Gebühr bereit. Im Mittel liegt diese immerhin bei 3,03 Euro pro Rücksendung.
Doch was genau sind die Argumente, die für ein Ende der Gratis-Mentalität bei Retouren sprechen? Hier zeigt die Befragung: Klimaschutzprojekte sind nur ein schwacher Motivator. Lediglich jeder zehnte Umfrageteilnehmer würde sich an den Retourenkosten beteiligen, wenn die gezahlten Gelder in Klimaschutzprojekte investiert würden. Viel stärker ist beispielsweise die Akzeptanz, wenn zuvor der Hinversand kostenlos war. Als Alternative zur kostenpflichtigen Rücksendung per Post bietet sich für Händler mit Filialnetz die kostenlose Rückgabe in einer Filiale an. Für diese Möglichkeit zeigen sich immerhin 64% der Frauen und 58% der Männer offen.
Das größte No-Go bei Retouren sind nicht die Gebühren, sondern ein erzwungener Kontakt zum Kundenservice
Auf die Frage, was die Kunden bei der Rücksendung von Online-Bestellungen am meisten nervt, fällt die Antwort eindeutig aus. Ihr Puls steigt, wenn sie gezwungen sind, erst den Kundenservice zu kontaktieren, bevor sie ein Retouren-Label erhalten. Doch der Gegencheck von parcelLab unter den Top-100-Händlern zeigt: In 23 davon, vornehmlich im Bereich Elektronik, Computer & Zubehör, Drogerie und Baumarkt, ist genau dieses Vorgehen gelebte Praxis. Aus Händlersicht mag das Vorgehen strategisch begründbar sein, für die Kunden ist es ein Grund, das nächste Mal bei der Konkurrenz zu bestellen. Deutlich komfortabler stellt sich für die Kunden eine Retouren-Abwicklung über ein Retourenportal dar, über das sie im Self-Service ein Retouren-Label generieren können.
Darüber hinaus erhalten Kunden über ein Retourenportal im Idealfall auch jederzeit Einblick in den Bearbeitungsstand ihrer Retoure. Und genau das ist von mehr als jedem zweiten Kunden auch gewünscht. Doch auch hier enthüllt die Retourenstudie von parcelLab eine Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit: Denn tatsächlich schickt aktuell nur etwa jeder zweite Händler eine E-Mail, wenn die Retoure bei ihm eingegangen ist oder die Erstattung eingeleitet wurde.
Retourenerstattung: Es muss nicht immer Bargeld sein
In diesem Punkt förderte die Verbraucherbefragung noch ein interessantes Detail zutage: Demnach ist die Bereitschaft der Kunden, statt Bargeld auch einen Gutschein zu akzeptieren, wenn dieser sofort bei Anmeldung der Rückgabe ausgestellt wird, überraschend hoch. Vor allem in der Zielgruppe der 35- bis 44-Jährigen würde fast jeder zweite die Gutschein-Option wählen. In der Gesamtbevölkerung ist es immerhin jeder dritte. „Aktuell kann das noch kaum ein Händler in seinem Retourenprozess abbilden“, kommentiert parcelLab-Mitgründer Anton Eder. „Es ist aber eine perfekte Möglichkeit, den bereits getätigten Umsatz im Haus zu behalten und die Kunden dauerhaft an sich zu binden. Daher sollten Händler diese Option zumindest in Betracht ziehen.“
Die komplette Studie steht als kostenloser PDF-Download zur Verfügung unter: https://parcellab.com/retouren-studie-2022
Quelle: www.parcellab.com
Schlagwörter: parcelLab