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Simon Seeger, Gründer und Managing Director von Bettermile
Interview

“Die wenigsten schaffen die Balance zwischen UX und Rentabilität”

Der Versanddienst Instabox hat im Oktober 2023 seinen Rückzug aus dem deutschen Markt verkündet. Bereits der Zusammenschluss von instabox und Budbee im Jahr 2022 und die Neuausrichtung der Lieferzonen von instabee (Name der fusionierten Unternehmen) hat gezeigt, wie hoch der Druck in der Zustellbranche ist. Die aktuelle Entscheidung reiht sich ein in eine Liste von Misserfolgen: Arive, Dropp, Boxbote und selbstredend jene aus der Lebensmittelzustellung. Holt die Rezession Zustell-Start-ups nun ein? Ein Interview mit Simon Seeger, Gründer und Managing Director von Bettermile, Anbieter einer KI-basierten Software für die Zustellung auf der letzten Meile.

Die News um den Rückzug von instabox aus dem deutschen Markt reiht sich ein in so einige Finanzierungsschwierigkeiten und Insolvenzen in diesem Jahr. Sind die Geschäftsmodelle von Zustell-Start-ups schlichtweg nicht rentabel?

Hier muss man zwischen dem aktuellen Marktumfeld und dem Geschäftsmodell unterscheiden. Die allgemeine wirtschaftliche Lage und die gestiegenen Verbraucherpreise haben die Nachfrage seitens der Konsument:innen in den vergangenen anderthalb Jahren stark gedrückt. Hinzu kommen die gestiegenen Zinsen, die unter anderem das von Investor:innen getriebene Hyperwachstum beendet haben. Das aktuelle Startup-Barometer von EY besagt, dass im Vergleich zum Vorjahr das Gesamtvolumen der Investitionen im ersten Halbjahr 2023 deutlich gesunken ist. Die Folge sind weniger Deals. Daraus ergibt sich eine Gesamtsituation, die für kapitalintensive Zustell-Start-ups besonders schwierig ist, da es bei ihnen besonders komplex ist, einen kostendeckenden operativen Betrieb aufzubauen. An dieser Stelle muss das Geschäftsmodell zum Tragen kommen und eine rentable Zustelldichte erreicht werden. Derzeit schaffen die wenigsten Zustell-Start-ups die Balance zwischen UX und Rentabilität. Wer mittel- bis langfristig keine wirtschaftliche Tragfähigkeit nachweisen kann, wird vom Markt verschwinden. Investor:innen sind nach den großen Verlusten von Zustell-Newcomern zurückhaltender geworden. Sie sind weiterhin bereit, in LogTech zu investieren, aber nicht mehr in den defizitären Aufbau eines operativen Zustellnetzwerks.

Wieso scheint es besonders gerade für Innovatoren auf der letzten Meile so schwer zu sein, auf dem Markt zu bleiben?

Leider haben viele zu spät auf ein gesundes und rentables Wachstum umgeschwenkt – zum Teil, weil dieser Strategiewechsel nicht von heute auf morgen funktioniert. Wer im margenschwachen Zustellgeschäft überhaupt erst in die Nähe der Kostendeckung gelangen möchte, muss zunächst auf radikales Wachstum ausgelegt sein. Ohne eine Subventionierung war das auch in der umsatzstärkeren Corona-Zeit kaum möglich. Wer sich und seine Zustellgebiete verkleinert, um zu überleben, generiert weniger Umsatz und wird auch seinen Kund:innenstamm nicht vergrößern können. Ein Teufelskreis.

Ist die Zeit der Zustell-Start-ups also endgültig vorbei?

Das würde ich nicht pauschal behaupten. Klar ist, dass durch das Ende der Pandemie und aufgrund des Anstiegs der Inflation das Interesse am Quick Commerce derzeit sehr gering ist und weitere Insolvenzen wahrscheinlich sind. Aber die Angebote von instabox, Dropp oder auch von Gorillas usw. haben die Ansprüche der Konsument:innen im Allgemeinen verändert. Was die Customer Experience und den Service betrifft, haben sie neue Maßstäbe gesetzt.

Das konnten wir bei Bettermile in einer aktuellen Befragung mit über 1.300 Paketempfänger:innen feststellen. So erwarten 64 Prozent der Empfänger:innen standardmäßig eine Echtzeitverfolgung bei der Paketzustellung. Und mehr als die Hälfte der Empfänger:innen legen bei der Auswahl der Versandart Wert darauf, dass die Echtzeitverfolgung ihrer Bestellung verfügbar ist. Das entspricht einer Steigerung von 12 Prozent gegenüber dem Vorjahresergebnis. Auch ist für 69 Prozent der Befragten das persönliche in Empfang nehmen des Pakets ein emotionaler Moment. Die ungeplante Zustellung des Pakets in Paketshops oder beim Nachbarn ist hingegen unerwünscht.

Zudem wurden im Rahmen unserer Studie zusätzlich zur Befragung auch die Leistungen von Paketzustellunternehmen untersucht. Dabei hat sich gezeigt, dass die Newcomer im Bereich Paket in puncto Echtzeitverfolgung tatsächlich schlechter abschneiden als die großen Player, wie beispielsweise GLS. Auch wenn sie behaupten, radikal user-zentriert zu sein, müssen einige Start-ups also nachbessern, beispielsweise über entsprechende KI-basierte Lösungen, die auch die operative Produktivität verbessern können.

 Was müssen Zustell-Start-ups machen, um weiterhin am Markt teilnehmen zu können?

Es wird für Start-ups wichtiger sein, rascher Profitabilität im operativen Geschäft zu erreichen. Ein starkes und erfahrenes Team ist unerlässlich, um effizient zu arbeiten. In einigen Bereichen können KI-Anwendungen die Produktivität erheblich steigern. Start-ups sollten auch die Themen Automatisierung und Optimierung früher angehen.

Technologien wie die dynamische Routenoptimierung, Echtzeit-Tracking und detailliertere Geodaten sind hier entscheidend, um sowohl den steigenden Kundenanforderungen hinsichtlich der User Experience gerecht zu werden als auch eine verbesserte operative Effizienz sicherzustellen. Diesen generellen Spagat und die daraus resultierende Nachfrage an produktivitätssteigernden Tools bekommen wir als Anbieter einer KI-basierten Software für die letzte Meile in der Paketlogistik zu spüren. Inzwischen ist Technologie zur Routenoptimierung und Navigation für Zustellfahrer:innen unverzichtbar. Gleichzeitig erkennen etablierte Anbieter, wie z.B. GLS, dass sich die Erwartungen der Empfänger:innen verändert haben und sie ihre User Experience verbessern müssen. Eine unbeschädigte Zustellung allein genügt nicht mehr; Empfänger:innen möchten ihre Pakete live verfolgen und den Lieferverlauf beeinflussen können. Daher wird Technologie zu einem strategischen Hebel für operative Zustellbetriebe. Auch Zustell-Start-ups gehören zu unseren Kund:innen und sie haben erkannt, dass sie sowohl die Erwartungen der Empfänger:innen erfüllen als auch einen profitablen Betrieb aufbauen müssen. Aus diesem Grund setzen sie unter anderem auf unsere KI-basierte Technologie.

Ein weiteres Problem in der Paketzustellung ist der Mangel an Fahrer:innen, was Wachstum erschwert. Die Gewinnung und Bindung von Fahrer:innen ist eine Herausforderung, aber sie sind entscheidend für eine positive Kund:innenerfahrung.

Wie lautet Ihre Prognose? Wird künftig wieder stärker in Innovationen für die Zustelllogistik investiert?

Auch wenn Risikokapital vorläufig nicht mehr so leicht verfügbar ist wie in den letzten beiden Jahren, werden auch in Zukunft innovative Konzepte für die letzte Meile und in der gesamten Logistik gefragt sein. Der Digitalisierungsbedarf ist nicht nur hierzulande weiterhin hoch.

Quelle: www.bettermile.com

Über Simon Seeger

Simon Seeger ist Gründer und Geschäftsführer von Bettermile. Mit Bettermile hat er sich zur Aufgabe gemacht, die letzte Meile in der Paketlogistik zu digitalisieren und für alle Beteiligten besser zu gestalten. Die user-zentrierte Technologie von Bettermile an: Zustellrouten werden, anders als bislang üblich, dynamisch geplant und in Echtzeit unter Berücksichtigung von Verkehr, Geschäftszeiten sowie Empfängerangaben optimiert und navigiert. Auch das Wissen der Zustellfahrer:innen fließt in die Künstliche Intelligenz der Lösung ein. Empfänger:innen erhalten über das Real Time Tracking stets aktualisierte Informationen zu ihrer Zustellung. Die Zeitfenster der Zustellung sind bis zu zehn Minuten genau. So lassen sich beide, eigentlich gegensätzliche Ziele, Produktivitätssteigerung und User Experience erreichen und es profitieren alle: Zustellunternehmen, Fahrer:innen und Empfänger:innen.

Interview veröffentlicht am 22.11.2023 in News (In- und Ausland).
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